Nu klor!

SchafarschNach meinem letzten Beitrag ahnt wahrscheinlich jeder, dass ich mit dem schottischen Aye sympathisiert habe. Es hat nicht sollen sein. Die Mehrheit der Schotten meint, auch wenn man mit England nicht unbedingt glücklich ist, sollte man doch zusammen bleiben. Das Prinzip diverser alter Ehen.
Aber die positive Nachricht ist: Es hat das Referendum gegeben, und die Leute sind hingegangen. 84 % Beteiligung! Und wir sind stolz drauf, dass immerhin über 50 % der Thüringer noch entscheiden wollen, wer sie regiert.
Ich stelle mir das mal vor. In Deutschland hält man ein Referendum darüber ab, ob man die Mauer wieder errichten sollte. Es wird irgendwann gegen 23:00 Uhr im Bundestag beschlossen, während im Fernsehen ein Fußball-EM-Spiel mit deutscher Beteiligung läuft. Opposition und Koalition sind gleichermaßen nicht bei der Sache, und BUMM! haben wir ein Referendum.
Die Linke führt die „Nu klor!“-Kampagne an – schließlich ist man im Osten eine echte Volkspartei und hat nichts zu verlieren. Auch die AfD ist für die Abspaltung. Immerhin wäre der abgespaltene Osten nicht automatisch Mitglied der EU. Also lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze zu 10 %. Die Piraten sind begeistert über die Möglichkeit der direkten Demokratie. Sie sind mehrheitlich für Abspaltung, falls man dabei Berlin loswerden kann, ansonsten aber der Meinung, man sollte lieber den Luftraum in zwanzig Meter Höhe horizontal teilen. Unerwartet ist die Unterstützung der FDP. Die erinnert sich, dass sie als LDPD zwar nichts zu sagen hatte, aber irgendwie mitregieren durfte.
Die Überraschung schlechthin ist die CSU. Mit ihrem Vorstoß, gleich noch die armen Nichtkatholiken aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, NRW und den Stadtstaaten abzuschieben, kann sie sich nicht durchsetzen, aber immerhin ergibt sich die historische Chance, den heidnischen Osten loszuwerden. Der ist noch ärmer, pfui Deifi.
Die „Wir sind ein Volk!“-Kampagne der CDUSPD wirkt dagegen wie zweimal aufgebrüht. Stasi, Zwangstopfen, Planwirtschaft und Bananenmangel ziehen nicht wirklich. Die Leute wollen sich einfach nicht fürchten, selbst als man Honecker-Bilder mit dem Spruch „Allen wird es schlechter gehen!“ plakatiert. Jena wird außerdem mit Plakaten von Dietmar Schuchardt überschwemmt. Der steht zwar nicht zur Wahl, aber es sind die Plakate, die die CDU immer aufhängt. Die Wähler sind ein wenig verwirrt.
Entsprechend stimmen am Wahltag 53 % für die Abspaltung. Allerdings gehen überhaupt nur 42 % hin. Der Rest regt sich sofort nach Bekanntgabe des Ergebnisses auf. Angela Merkel stellt fest, dass tatsächlich nur 22.26 % für die Sezession gestimmt haben, und beschließt, das Votum zu ignorieren: „Man kann an einem solchen Tag nicht sagen, dass es ein Mehrheit für die Einheit gibt … Es gibt eine Mehrheit für die Einheit …“ Kennt man von den Atomkraftwerken.
Und das war’s. Zur nächsten Wahl gehen nur noch 20 % unverbesserliche Radikaldemokraten.
So gesehen, ist Schottland wirklich großartig, ob nun mit oder ohne England. Ist übrigens ein schottischer Schafarsch aus Kilmartin.

Über Heidrun Jänchen

Physikerin, Autorin von Fantasy und Science Fiction und als Mitglied der Bevölkerung engagierte und unangepasste Bürgerin
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