Mach’s gut, und danke für alles …

Es war 1992 und ich auf der Flucht vor der Arbeitslosigkeit. Im Bahhofskiosk von Göttingen fiel mir ein Buch in die Hand, das den Aufdruck „Der Douglas Adams der Fantasy“ trug. Ob es das oder das irrwitzige Josh-Kirby-Cover war – ich griff zu und las rein. Gekauft habe ich es, weil ich die Idee einer tatsächlich scheibenförmigen Welt so irrsinnig dreist und interessant fand.
Die Story ist eigentlich simpel: Ein sterbender Zauberer drückt mit letzter Kraft seinem Erben, dem gerade eben geborenen achten Sohn eines achten Sohnes, seinen Zauberstab in die Hand. Er hätte allerdings besser hinsehen sollen, denn der Sohn ist tatsächlich eine Tochter. Deren Weg in die angestaubte Männerwelt der Zauberei ist der Beweis, dass Feminismus schreiend komisch sein kann – und eine Parodie auf die „Erdsee“-Trilogie von Ursula LeGuin, die erst Jahre später feststellte, dass die Frauen bei ihr irgendwie zu kurz kommen.
Ich dachte: Genau so muss Fantasy sein. Nicht diese schicksalhaften Epen über wahre Bestimmungen und rechtmäßige Könige, sondern die Geschichte einfacher Leute mit ganz heutigen Problemen und einer gehörigen Portion Frechheit. Später habe ich noch mehr gelernt, etwa den eigentlich simplen Taschenspielertrick, mit dem man verhindert, dass der Leser das Buch aus der Hand legt. Die Neigung, Klischees auf den Kopf zu stellen, hatte ich vermutlich schon vorher, aber ich fühlte mich aufs Schönste bestätigt.
Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet, auf einem Hitchhiker-Band mit dem Aufdruck „Der Terry Pratchett der Science Fiction“ im Buchhandel zu finden, aber das ist dann doch nicht passiert. Die Realität hat keinen Humor.
Gestern hat der Tod seinen Schöpfer geholt. Wenn die Welt gerecht ist, dann war es eine schrullige Gestalt, die bei Bedarf auch mal den Weihnachtsmann gibt. Und das Jenseits ist eine scheibenförmige Welt, die auf dem Rücken von vier gigantischen Elefanten ruht, die wiederum auf einer undenkbar großen Schildkröte stehen.
Mach’s gut, Terry, und danke.

Über Heidrun Jänchen

Physikerin, Autorin von Fantasy und Science Fiction und als Mitglied der Bevölkerung engagierte und unangepasste Bürgerin
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8 Antworten zu Mach’s gut, und danke für alles …

  1. Tobias Schäfer schreibt:

    Ich hab mich köstlich amüsiert an Terrys Romanen und war oft erstaunt, wie einfach die lustigsten Seiten daherkommen. Im Gegensatz zu dir hab ich seinen Trick nicht durchschaut, aber ich genieße die Überraschungen, wie sie kommen. Per aequanimitas ad astra, Terry!

  2. Max Headroom schreibt:

    Er gehörte zu den Menschen, die eine Lücke hinterlassen, die ihn nicht ersetzen kann.
    Im Gegensatz zu so vielen anderen …
    Jammerschade um all die Bücher, die er nun nicht mehr schreiben wird. Die werden fehlen.
    Mir zumindest. Seine skurrilen und genialen Ideen haben mich immer begeistert.
    R.I.P., Terry!

    • Heidrun Jänchen schreibt:

      Definitiv ein besserer Nachruf als meiner, aber wenn man 5:30 aufsteht, nur um seine unsortierten Gefühle in Text zu bannen, nachdem man tags zuvor spät von einer Dienstreise zurückkam und erfahren musste, dass ein Teil der Welt plötzlich und unwiderruflich verschwunden ist … Wahrscheinlich mache ich irgendwann einen zweiten Versuch. Ich kann das mit dem Ärger gut verstehen. Pratchetts Bücher sind Ermutigungen, das Unmögliche zu versuchen. Mutmaßlich habe ich da noch viel mehr gelernt, als mir bewusst ist.

  3. Leselotte schreibt:

    Da ich noch nie etwas von Terry Pratchett las, nehme ich das als Tipp auf und bedanke mich hiermit. 🙂

    Und genau, die undenkbar große Schildkröte…
    Die steht wiederum auf vier ziemlich großen Elefanten, diese wiederum auf vier Elefanten, diese wiederum auf vier Elefanten. Uns so geht das bis ganz unten.

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