Und siehe, es ward Licht

jena_nacht
Ich kann mich daran erinnern, wie bei uns auf dem Dorfe die ersten Straßenlaternen aufgestellt wurden. Und da ich mich an dieses Ereignis erinnere, muss ich wohl auch die laternenlose Zeit davor erlebt haben. Die Quecksilberdampflampen standen so weit auseinander, dass es dazwischen richtig dunkel war. Ich weiß nicht, wie weit das war, aber hundert Meter könnten es schon gewesen sein. Nachts gab es damals Sterne, unglaublich viele Sterne. Heute muss ich in einsame Gegenden fahren, um einen Himmel wie früher auf dem Dorfe zu sehen. Das Interessante daran ist, dass sich die Leute damals nicht allnächtlich die Beine gebrochen haben. Es hatte vermutlich auch keiner Angst vor der finsteren Nacht. Nachts war es dunkel, und zwar richtig.
Anfang der achtziger Jahre kamen die ersten Natrium-Dampflampen auf. Sie hüllten die Stadt, in der ich inzwischen lebte, in ein verträumtes, märchenhaftes Licht. Verglichen mit dem Quecksilberdampflicht wirkte es gemütlich, und deshalb fand ich sie von Anfang an sympathisch.
Jetzt vertreibt man die nächtliche Träumerei mit LED-Lampen in kaltweiß, die die Nacht zu einem schlechten Tag machen. Auf einmal ist es wichtig, ob man nachts Farben richtig erkennen kann. Und viele Leute fürchten sich vor den unbeleuchteten Bereichen ungefähr zehn Meter neben den taghell beleuchteten Straßen. Wohin die Lichtkegel der Lampen nicht reichen, da scheint es dunkler zu sein als früher auf dem Dorfe, weil unsere Augen keine Chance haben, sich an das Dunkel anzupassen, das längst nicht mehr dunkel ist.
Und weil wir nachts nicht mehr schlafen können, kaufen wir uns dunkle Vorhänge.

Fortsetzung folgt.

Über Heidrun Jänchen

Physikerin, Autorin von Fantasy und Science Fiction und als Mitglied der Bevölkerung engagierte und unangepasste Bürgerin
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3 Antworten zu Und siehe, es ward Licht

  1. Inge schreibt:

    Klar, wo mehr Licht ist, ist auch mehr Schatten.
    Ich wohne in Dresden in einer Straße mit richtig altmodischen Gaslaternen. Wenn ich nachts durch diese Straße gehe, freue ich mich über die erleuchteten Fenster und die – wenn auch nicht sehr vielen – Sterne. Mit ist klar, das Gaslaternen nicht mehr zeitgemäß und teuer in der Unterhaltung sind. Ein Umbau der Straßenbeleuchtung nach neuen Vorschriften bedeutet aber, dass die wenigen Gasfunzeln durch viermal soviele Natriumdampflampen ersetzt werden, deren jede zehnmal so hell leuchtet wie eine Gaslaterne. Das kann man nur wenige hundert Meter von meinem Haus entfernt bewundern. Ich empfinde das unnatürlich rote Licht, das die Fassaden heller leuchten lässt als die Fenster (deren Licht jetzt auch meist durch dicke Vorhänge verdeckt wird), weder als verträumt noch als gemütlich. Wer ein Musterbeispiel an Lichtverschmutzung erleben möchte, möge nachts über die berühmte Dresdner Waldschlösschenbrücke fahren. Auf beiden Seiten befindet sich eine Art weiße Party-Lichterkette in den Handläufen. Das soll fledermausfreundlich sein; als Radfahrer wird man nur geblendet und sieht weder Mond und Sterne noch die beleuchtete Dresdner Stadtsilhouette…

    • Heidrun Jänchen schreibt:

      Ich glaube, die Na-Lampe kann nicht dafür, dass man mehr und hellere von ihr pflanzt, als mensch braucht. Davon abgesehen sind Fassaden auch tagsüber bei Sonne heller (weil diffus reflektierend) heller als Fenster (weil 92 % des Lichtes im Raum verschwinden). Das ist nicht böse. Das Na-Licht beeinträchtigt weniger das Nachtsehen, lockt weniger Falter an – und erzählt unserer Zirbeldrüse nicht, dass Tag sei. Das ist vergleichsweise nicht schlecht.
      Wir müssen dahin kommen, dass wir nur so viel beleuchten, wie nötig ist. Wie gesagt: In Mohsdorf haben wir mit ungefähr einem Fünftel der Lampen auch überlebt. Wäre besser, als aus Aktionismus die Lampen gegen noch lästigere Lampen zu tauschen – siehe Fortsetzung.

  2. Inge schreibt:

    Ob man die roten Lampen angenehm findet oder nicht, ist Geschmackssache – sind halt auch nur ein paar Spektrallinien im Vergleich zum Sonnenlicht. Tatsächlich macht es die Dosis. Dass die Fassaden bei Tag heller sind als die Fenster, ist klar, dafür ist Tag. Aber ich liebe es, wenn es nachts andersrum ist und so auch mein Gefühl erkennt, dass Nacht ist. Dafür nehme ich in Kauf, das eine oder andere Hundehäufchen zu übersehen (was mir übrigens auch bei strahlendem Sonnenschein passiert). Dunkelhüte begegnen einem wahrscheinlich sowieso eher im Internet als auf sparsam beleuchteten Straßen…

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