
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Schriftsteller vom Verkauf ihrer Bücher leben. Wenige tun das. Die anderen, wenn sie nicht ein Doppelleben als Vollzeit-Physiker führen, leben vom Zeitungsaustragen, Schreibkursen für Frührentner und schreibende Schüler, Stipendien und – Lesungen. Das war in den letzten zwei Jahren schwierig, und deshalb ist es durchaus verständlich, dass Autoren auf die Idee kommen, den Posten einer Parlamentspoetin mit 3000 € monatlichem Salär vorzuschlagen. Da hätte man für vier Jahre kein Problem, Miete, Strom und Heizung zu bezahlen.
Der Auftrag der Parlamentspoetin: Vermitteln zwischen Bundestag und Bevölkerung, weil die Herren und Frauen Volksvertreter schon nach kurzer Zeit das Behördensprech verinnerlichen und mit der regierten Masse nur noch mit Hilfe eines Übersetzers kommunizieren können. Und irritieren. Letzteres darf man für einen eher lauen Witz halten. Irritation ist in der Stellenbeschreibung eines Hofsängers nicht vorgesehen. Das ist ein staatstragendes Amt.
Und ersteres? Zweifellos sind Gesetzestexte nicht schön, selten verständlich und oft nicht einmal eindeutig. Man könnte glauben, dass sie mit Vorsatz so schlampig formuliert werden, dass Rechtsanwälte nicht um Lohn und Brot gebracht werden. Politiker lassen ihre Reden von der Phrasendreschmaschine ausarbeiten. Alles richtig. Aber brauchen wir deshalb einen Hofpoeten?
Wäre ein Parlaments-Deutschlehrer nicht angebrachter? Würde es das Herz des Bürgers nicht viel mehr erfreuen, wenn MdB Max Meier in die Ecke gestellt würde, weil er wieder einmal inhaltsloses Stroh geredet hat? Wäre es nicht sowohl erfreulich als auch nützlich, wenn mit roter Tinte angestrichen würde, wo Gesetze unverdaulich schlecht formuliert wurden? Hätten wir nicht gern, wenn die Herren und Damen Parlamentarier am Ende der Legislatur ein Zeugnis bekämen, in dem stünde, dass ihre Wiederwahl gefährdet ist, weil sie zu viele Worthülsen produziert haben? Wäre es nicht entzückend, wenn die Besucher auf der Galerie Bullshit-Bingo-Bögen bekämen und, sobald einer „Bullshit!“ ruft, der Abgeordnete am Mikrofon 100 Euro für eine Schulbibliothek spenden müsste?
Indes, die Entfremdung zwischen Volk und Parlament ist nicht in erster Linie eine sprachliche. Die Idee folgt der beliebten Politiker-Taktik, statt der Sache die Sprache zu ändern. Aber Gesetze werden nicht besser, wenn man einen Erklärbären anstellt. Viele Bundestagsmitglieder sitzen seit Jahrzehnten auf ihren bequemen blauen Bundestagssesseln. Sie haben nicht die Sprache der Bürgerschaft verloren, sondern den Kontakt zu deren Realität. Vielleicht wäre es die bessere Idee, die Zahl der Amtszeiten zu beschränken oder wenigstens alle acht Jahre die Abgeordneten zur Bewährung in die Produktion zu schicken.