Jenas spannendes Nachtleben

Am Tag ist allerhand los in Jena, aber so richtig lebendig wird es, wenn die Sonne untergeht. Man muss nur richtig hinschauen.
Zum Langen Tag der Natur hatte das nagelneue Naturerlebniszentrum auf dem Schottplatz zur nächtlichen Safari geblasen. Gejagt wurden Insekten, und zwar nicht mit der Flinte, sondern mit der Lampe. Der Schottplatz ist eine Industriebrache (wo Schott seinen Glasmüll verklappte), sieht aber ziemlich nach Natur aus. Nachts ist es dort dunkel – falls nicht der Experte für Insekten seine Lichtfallen aufstellt. Die sehen, wie sie da im Dunkel geheimnisvoll leuchten, recht romantisch aus.
Dank neuster LED-Technik kann man zielgenau und stundenlang mit einer Powerbank von der Größe einer mobilen Festplatte herumfunzeln. Ultraviolett, blau und: „Es gibt auch Arten, die auf Grün stehen“, sagt der Lepidologe. Für den Menschen sieht es vor allem blau aus, weil wir mit ultraviolett unsere Probleme haben. „Vierhundertfünfzig“, sagte ich, und der Experte nickt.
Die Fallen reichen von einer angeleuchteten Wand über ein kleines weißes, von innen beleuchtetes Zelt bis hin zu einer Falle mit Plexiglaswänden, an denen sich die Insekten den Kopf stoßen und mit Schädelbrummen in den Trichter darunter fallen. Der führt in einen dunklen Sack voller Eierpappen, wo sich die Insekten von ihrer Kollision erholen.
Eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit tobte rings um die Fallen das Nachleben: Rindenspanner, Pflaumenspanner, Perlglanzspanner und Gelber Rosenglanzspanner … Ganz schön spannend. Dazu noch die Hausmutter, die beim Herumfliegen orangegelbe Flecken auf den Flügeln hat, und die Ausrufezeichen-Erdeule. In einem Jenaer Tal hockt übrigens auch der sehr träge Fleckenbär. Das ist mutmaßlich enes von genau drei Vorkommen in Deutschland und deshalb geheim. Man möchte nicht, dass doofe Sammler die seltene Spezies wegfangen und aufspießen.
Die Spannerei hat Glück: Gegen MItternacht gehen am Schottplatz die Lichtfallen aus, und sie können unbehelligt von zu viel Licht davonfliegen und sich einen Imbiss suchen. Bei den Straßenlaternen, die eine Intensitätsspitze bei 450 nm haben, ist das weit schwerer. Ein Grund mehr, nicht nur zur Earth Hour abzuschalten. Die über 800 Nachtfalterarten wären dankbar.
Ja, ihr habt richtig gelesen. Über 800. Von den meisten habe selbst ich noch nie etwas gehört. Wäre doch schade, wir würden sie umbringen, ehe wir sie kennengelernt haben.

Über Heidrun Jänchen

Physikerin, Autorin von Fantasy und Science Fiction und als Mitglied der Bevölkerung engagierte und unangepasste Bürgerin
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Eine Antwort zu Jenas spannendes Nachtleben

  1. Evelyn schreibt:

    Oh ja, ich liebe diese puscheligen Nachtfalter, auch wenn ich sie nicht häufig zu Gesicht bekomme. Sie beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue …

    Danke für die schönen Fotos!

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