TH: Blau machen

Pfingstmontag ist Feiertag. Man kann also in Ruhe blau machen, und das geht am besten in Thüringen, im winzigen Dorf Rohrborn. Warum? Weil es dort eine liebevoll restaurierte Waidmühle gibt. Waid hat nichts mit Jägerei zu tun, sondern mit Farbe. Isatis tinctoria oder Färberwaid war im MIttelalter der modische Hit. Es war die Grundlage für stylish blaue Hemden, Kleider und Tücher.
Die Pflanze an sich sieht eher langweilig aus, wie ein Dutzend anderer Kreuzblütler auch. Sie ist grün und hat gelbe Blütendolden, und nichts verrät, dass man daraus Indigo gewinnen kann. Wie die Altvorderen darauf gekommen sind, weiß man nicht. Die Kelten kannten es, und mutmaßlich wurde es schon im Neolithikum verwendet. In der Steinzeit. Und dabei ist die Verarbeitung alles andere als einfach..
Vom 13. bis 16. Jahrhundert wurde es im großen Maßstab in Thüringen angebaut. Es fühlt sich auf kalkreichem Boden wohl. Man schnitt es knapp über der Wurzel ab (die trieb drei- bis viermal pro Jahr aus), zerquetschte es in einer Waidmühle, formte Klöße daraus (Thüringer halt!), die stark an Pferdeäpfel erinnern, und trocknete sie. Im Winter zerrieb man das Ganze und setzte mit viel Urin und etwas Wasser einen fröhlich gärenden Matsch an. Dabei entsteht Indigo. Und Gestank. Es stinkt zum Himmel. Deshalb war es im Mittelalter wichtig, dass die Brauer in der Stadt flussaufwärts und die Färber flussabwärts siedelten. Alles andere möchte man sich nicht vorstellen. Allerdings hatten beide Gewerke eine enge Verbingung. Vor Färbetagen gab es für die Färbergesellen Freibier. Irgendwo musste der Urin ja herkommen.
Man rührte auch noch Kleie, Krapp, Kalk und Pottasche in die Brühe. Krapp ist erstaunlich, denn das färbt eigentlich rot. Das Ergebnis ist schließlich eine ziemlich grüne Lorke (Wikipedia meint, das sei eine Bezeichnung für schlechten Kaffee, aber in Sachsen bezeichnet es recht schmutziges Wasser). Erst wenn man Stoff eintunkt und zum Trocknen aufhängt, wird aus der grünen Lorke ein Himmelblau.
Anfangs wurde das Waid-Blau mit Gold aufgewogen und machte nicht die Waidbauern, aber die Waidhändler reich (ein weiterer Fall von pecunia non olet). In Erfurt leistete man sich vom Profit eine Universität. Dann entdeckten böse Menschen Indien und den Indigo, und der war deutlich billiger. Das war’s mit der Thüringer Herrlichkeit.
Heute wird einmal im Jahr, zum Deutschen Mühlentag, in Rohrborn Waid gemahlen. Ringsum entwickelt sich ein Volksfest. Die herrlichen Thüringer Bratwürste, Rostbrätel und Blechkuchen gibt es noch immer. Die werden nicht mit Gold aufgewogen, erfreuen sich aber großer Beliebtheit. Freibier allerdings erwartet man vergeblich.

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Über Heidrun Jänchen

Physikerin, Autorin von Fantasy und Science Fiction und als Mitglied der Bevölkerung engagierte und unangepasste Bürgerin
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