Im falschen Jahrhundert zu Hause: Die Partei „Die Frauen“

Die Tageszeitung „junge Welt“ hat es sich offenbar zum Ziel gesetzt, alle möglichen und unmöglichen Splitterparteien vorzustellen, was durchaus interessant ist. Die PARTEI gab es da ebenso wie „Die Nichtwähler“ – oder eben „Die Frauen“. Bundessprecherin Margot Müller erklärt ausführlich, warum man diese Partei auf keinen Fall wählen kann: Sie stammt aus einer anderen Falte des Raum-Zeit-Gefüges und hat mit der Wirklichkeit draußen im Land wenig bis nichts zu tun.
„Das Patriarchat hat den Kapitalismus hervorgebracht. Es ist eine Gesellschaftsordnung, in der Männer über Frauen herrschen. Dadurch gibt es mindestens zwei Klassen, Männer und Frauen.“
Ah ja. Die Frauen-Frau will mir also einreden, eine Elisabeth Schaeffler, die sich mit der Übernahme des Reifenkonzerns Continental im Wortsinn übernommen hatte und anschließend im Pelzmantel um finanzielle Unterstützung bettelte, gehöre zur gleichen Klasse wie Gabi, Feinoptikerin und 62, die außerhalb der Leiharbeit wegen ihres Alters keinen Job mehr findet, oder die Thüringer Friseurin, die für 6.50 € die Stunde Haare schneidet. Alles klar, aber Gabi sieht das wohl anders.
„… viele Frauen und fast alle Männer glauben, daß Frauen bestimmte Positionen nicht ausfüllen können. … Darunter zum Beispiel Aussagen darüber, daß das Gehirn von Frauen zu klein sei für ein Studium.“
Diese Theorie habe ich tatsächlich schon einmal gelesen, und zwar in einem Buch aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Derzeit sind die Geschlechter unter den Student/inn/en etwa gleich verteilt. Dass sich Studentinnen eher für „irgendwas mit
Sprachen“ oder Soziales entscheiden, Studenten dagegen eher für Maschinenbau oder Elektronik, kann man nicht dem Patriarchat anlasten. Ich habe Physik studiert; das ist auch für eine Frau absolut möglich. Mir hat in fast 30 Jahren nie jemand gesagt, dafür sei
mein Gehirn zu klein. Man hat mir gesagt, es sei nichts für Mädchen – keine Bgründung -, aber das ist 30 Jahre her.
„Die einzigen sicheren Arbeitsplätze für Frauen waren Ehefrau oder Prostituierte.“
Das mit der Prostitution zieht sie anschließend zurück. Aber hallo – wo gibt es denn die sicheren Arbeitsplätze für Männer?
„Das hat sich erst durch die Frauenbewegung in den letzten 150 Jahren und neue Arbeitsmöglichkeiten geändert.“
Und das ist schlichter Blödsinn, denn die Nur-Ehefrau ist eine relativ junge Erscheinung. Über Jahrhunderte war es üblich, dass Männer und Frauen gleichermaßen arbeiteten, wenn auch mit einer weitgehend durch körperliche Fähigkeiten diktierten Arbeitsteilung. In bäuerlichen Gemeinschaften war das völlig normal. Ob Pflügen jetzt eine so viel bessere Arbeit ist als Brot backen und Stall ausmisten, sollen Leute entscheiden, die schon mal mit einem Ochsen gepflügt haben. Ich glaube es eher nicht. Selbst in den Handwerkerzünften des Mittelalters konnten Frauen das Geschäft ihres Vaters übernehmen. Das war zwar nicht die Regel, aber es geschah. Die „gute Partie“, die eine Frau sich angeln muss, um „versorgt“ zu sein, ist eine Sache des mittleren bis höheren Bürgertums und des ungefähr letzten bis vorletzten Jahrhunderts. Im Adel wurden Ehen seit Unzeiten nur politisch-wirtschaftlich geschlossen, und auch die männlichen Menschen hatten da kein Mitspracherecht. Meine proletarische Großmutter hat dagegen zeitlebens gearbeitet.
„Wünschenswert wäre, daß in den Parlamenten nicht nur 51 Prozent, sondern 80 Prozent Frauen säßen, weil diese auch die Interessen der Kinder vertreten. Bei Männern weiß man inzwischen, daß sie nur die Interessen ihrer eigenen kleinen Minderheit
vertreten.“
Hier gerate ich ich ernsthaft in Konflikt mit der Realität. Männer vertreten nicht die Interessen der Kinder? Mein Kollege Ralph hat fünf Jahre lang ein Volksbegehren für eine bessere Kindergarten-Betreuung organisiert – in seiner Freizeit und mit eigenem Geld. Als er es endlich durchgesetzt hatte, ging sein Jüngster inzwischen in die Schule. Der Pirat Frank setzt sich mit Vehemenz gegen Beschneidung ein, weil er glaubt, dass sie mit dem Schutz von Kindern nicht vereinbar ist (klar, das betrifft nur Jungen, aber auch die sind Kinder, oder?). Es gibt sogar Piraten (beiderlei Geschlechts), die ein Wahlrecht ab Geburt fordern – was ich selbst für gutgemeinte, aber alberne Übertreibung halte.
Es gibt durchaus ein paar Dinge zwischen Frauen und Männern in diesem Land, die verbesserungswürdig wären, etwa die systematisch schlechtere Bezahlung von typischen Frauenberufen oder das Ehegattensplitting. Aber die haben auch andere Parteien auf der Tagesordnung, die bereits im 21. Jahrhundert angekommen sind. „Die Frauen“ sind jedenfalls eine Partei, die den letzten Schuss noch nicht gehört hat. Wo gedeiht so etwas? Dass der Wirklichkeitsverlust mit der Größe des Gehirns zusammenhängt, glaube ich eher nicht. Meins ist ja auch nicht größer. Aber haben die Damen in letzter Zeit mal ein paar reale Männer gesehen und sich vielleicht mit ihnen unterhalten? Das Interview führte jedenfalls eine Frau.

Über Heidrun Jänchen

Physikerin, Autorin von Fantasy und Science Fiction und als Mitglied der Bevölkerung engagierte und unangepasste Bürgerin
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2 Antworten zu Im falschen Jahrhundert zu Hause: Die Partei „Die Frauen“

  1. kussaw schreibt:

    Hallo Heidrun,
    vielen Dank für diesen Artikel. Seit ich das Interview gelesen habe, kämpfe ich nun schon mit mir, einen Blog-Artikel zu schreiben. Habe da so meine Schwierkeiten …
    Mit deiner Meinung triffst du den Nagel mal wieder auf den Kopf! Da ich wieder einmal deine Meinung zum Thema teile, habe ich mir erlaubt, deinen Artikel zu „rebloggen“.

    Gruß
    Karsten

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